Clown Gottes

Berufswunsch Clown

Schon in Ernst Heller’s Kinderstube wird viel gelacht. An vielen Familienfeiern kommen er und seine Geschwister mit den schönen Seiten des Lebens in Berührung. Der Junge macht gerne mal den Clown, früh entdeckt er die Bühne für sein Charisma. Zu Hause, in der Schule, später auf Studentenfesten, überall gibt er den Entertainer. In der Studentenverbindung erhält er bald den Übernahmen „Grock“, genannt nach dem Namen seines Vorbildes, dem weltberühmten Circus-Clown aus Biel. Warum also nicht Clown, oder Schauspieler werden? Er macht eine Aufnahmeprüfung beim Theater. Der Junge hat Talent. Doch Vater Jean Heller bremst. Er prophezeit seinem Sohn ein karges Dasein. Ernst Heller schlägt nun den Weg zum Priester ein, doch der Traum vom Clown bleibt. Statt ein Clown im Circuszelt will er nun ein „Clown Gottes“ werden. Schon sein Primiz-Fest feiert er in einem Zelt. Von seinem Faible für die Circus-Welt zeugt die immense Sammlung an Clowns in seiner Wohnung.

Der Circus Gottesdienst in Luzern

Dass Circus und Kirche, Humor und Theologie, gut zusammen passen können, erfährt Ernst Heller durch den deutschen Pallotiner-Pater Heinz-Peter Schönig, der vor Hellers Wahl zum Circus- und Schausteller-Pfarrer für die Betreuung des fahrenden Gewerbes in der Schweiz zuständig war. Noch in den achtziger Jahren lädt Pater Schönig, der als eigentlicher Begründer der Circus- und Schausteller-Seelsorge gilt, den jungen Vikar ein, mit ihm in Luzern im Zelt des Schweizer Nationnalcircus Knie einen Gottesdienst für Artisten und Interessierte zu feiern. Klar, dass er gleich Feuer gefangen hat.

 

Seit über zwanzig Jahren gibt es den Knie-Gottesdienst auf der Luzerner Allmend und er ist längst zu einer beliebten Tradition avanciert – was nicht unwesentlich mit Ernst Heller zu tun hat. Meist wirbt in der Stadt kein Plakat für den Anlass. Trotzdem strömen Leute aus der ganzen Schweiz an dem Sonntag jeweils im Juli auf den riesigen Platz. Im Zelt geht es meist zu wie einem umgekippten Bienenstock. Auf den Bänken sitzen kleinwüchsige Clowns, kirchliche Hochwürden, Circusfamilie Knie und Herr und Frau Jedermann dicht beisammen. Auch Startenor Placido Domingo, Prinzessin Stephanie von Monaco sowie die Wiener Sängerknaben waren schon hier. Stets wird das traditionelle Schaustellerlied „Pomp and Circumstance“ angestimmt. Oft wird ein Kind getauft, eine Firmung gespendet oder Heiratswilligen den kirchlichen Segen erteilt. Alphornbläser, Bannerträger und Folklore-Formationen umgarnen den Altar im Manegenrund. Ländlermessen- oder Gospelmessen werden gefeiert. Es kommen Leute zum Gottesdienst, die seit Jahren keine Kirche mehr von innen gesehen haben. Eine knisternde Stimmung herrscht im Zelt. Eingeweihte Besucher wissen stets: Das Beste kommt zum Schluss. Das Priestergewand noch nicht abgestreift, greift Ernst Heller zur Klarinette und lässt mit seiner Band „Heu-ob-n-abe“ das Zelt erbeben.

Circus- und Schausteller Welt

Während eines solchen Circus-Gottesdienstes in Luzern wird Ernst Heller von Weihbischof Martin Gächter am 25. Juli 1999 auch zum ersten katholischen Circus-, Markthändler und Schausteller-Seelsorger der Schweiz geweiht. Angestellt von der Philipp Neri-Stiftung, übt er das Amt seit August 2004 nun auch zu hundert Prozent aus. In der Schausteller- und Circus-Welt ist der Krienser längst ein bekanntes Gesicht. Viele wissen, dass sich der Umtriebige schon seit Jahren als Clown im Nebenamt betätigt. „Halleluja!“ Mit diesem Rufer betritt er meist die Circus- und Chilbi-Plätze. Lachend und gestikulierend streift er durch die Szenerie, begrüsst den Programmverkäufer, scherzt mit der Zuckerwatten-Frau am Stand oder spricht mit dem Elefantenwärter ein paar Worte arabisch.

 

Ernst Heller kennt keine Berührungsängste. Egal ob Rudi Carell im Europapark oder die Buffet-Frau, er geht auf jeden mit derselben entwaffnenden Offenheit zu. Vor allem mit seiner Klarinette kann er emotionale Schleusen öffnen. Auch kommt er nicht mit dem römischen Priesterkragen daher, sondern mit einer Stola mit eingestickten Clowns. Das zeigt Wirkung. Ob am Internationalen Circusfestival in Monaco oder an der Basler Herbstmesse, in diesen Szenen ist er bekannt als schillernder Farbtupfer in einer für viele farblosen Kirche. Als musikbegabter Entertainer und Menschenfreund. Ernst Heller schätzt die Offenheit der Circusmenschen, die seiner Meinung nach offener und zugänglicher sein können als die „Sesshaften“. Die Menschen empfindet er als gefühlsvoll, vor allem im Empfinden ihres Glaubens. Es fühlt sich durch sie kulturell, sozial und religiös bereichert.

 

In Circus- und Schaustellerkreisen wird er als einer der ihren akzeptiert. Denn man weiss dort nur zu gut: Der Circuspfarrer liebt dieses babylonische Stimmengewirr in den Requisitenräumen. Dieses Durcheinander von Schminkschälchen, Kostümen und Tiergeschirr in den Wagen. Die Gespräche beim Kaffee an den abendlichen Feuerstellen. Diese Geruchsmischung aus Kernseife, Schmieröl und Schweiss. Das fieberhafte Lebensgefühl, das manchmal über dem Platz liegt. Das Gesamtkunstwerk Circuswelt. Wer einmal in den Hosenaufschlägen Sägemehl hatte, bringt das nie mehr raus, weiss er. Im November 2004 hat er am Suisse Caravan Salon einen eigenen Wohnwagen erhalten. Ein lang ersehnter Wunsch ging so in Erfüllung, denn jetzt kann er zusammen mit seiner fahrenden Gemeinde unterwegs sein.